Der Morgen ist bei uns die heißeste Zeit des Tages. Denn, obwohl wir unsere „Morgenrituale“ seit Jahren unverändert praktizieren, läuft eigentlich nie etwas wie geplant. Es beginnt im Müßiggang und endet im heillosen Chaos. Man darf sich das Ganze ungefähr so vorstellen:
Um 6.15 Uhr springt der Radiowecker an, den ich selbstverständlich geflissentlich überhöre und die verkündeten Nachrichten lieber in meinen Traum einbaue (um mich dann später zu fragen ob die in meinem Unterbewusstsein gespeicherten Informationen der Wahrheit entsprechen oder nur einem wirren Traum entsprungen sind).
Um 6.30 stimmt der Handywecker mit ein, sodass ich den Beginn des neuen Tages nicht länger ignorieren kann und mich knatschend aus dem Bett pelle. Ich suche mir im Vorbeigehen ein paar zweckmäßige Kleidungsstücke aus dem Schrank und schleiche ins Bad, um wenigstens eine Viertelstunde uneingeschränkter Privatsphäre zu genießen. Früher brauchte ich morgens im Bad eine geschlagene Stunde für…ja, wofür eigentlich??? Heute reiße ich meine Morgentoilette in fünfzehn Minuten ab.
Wenn ich „fertig“ bin (Übersetzung: halbwegs zivilisiert bekleidet, die Zähne geputzt und die Haare gekämmt habe), gehe ich die Kinder wecken. Da meine Söhne beide mit mir verwandt sind, kommen sie morgens meist ebenso schlecht aus den Federn wie ich.
Gegen 7.00 Uhr fällt der Startschuss für das große Wettrennen um den Platz auf der Klobrille. Beide Kinder müssen natürlich gleich dolle und während der Verlierer des Duells schimpfend durch den Flur hüpft, zelebriert der Gewinner seinen Sieg, indem er sich noch ein bisschen länger Zeit lässt als vielleicht unbedingt nötig wäre.
Unterdessen stehe ich in der Küche und bereite das Frühstück und vier Brotdosen vor.
Ich:„Wer möchte einen Kakao?“
Kind 2:„Mann, ich muss auch aufs Klo! Jetzt beeil Dich doch mal!“
Ich:„Hallo! Wer möchte einen Kakao?“
Kind 2:„Mama, der macht jetzt wieder extra lahm, nur um mich zu ärgern!“
Ich lasse die Brote kurz Brote sein und klopfe an die Klotür. Ich:„Wie lange brauchst Du noch? Dein Bruder muss auch mal.“
Kind 1:„Bin gleich fertig.“ Ein verdächtiges Rascheln hinter der Tür.
Ich:„Liest Du da drin etwa?“
Kind 1:„Ja. Wieso?“
Ich:„Ich glaube, es hakt gleich, Monsieur! Dein Bruder macht sich hier gleich in die Hose und Du hast die Ruhe weg, oder was!? Ihr müsst Euch fertig machen! Komm jetzt da raus, aber dalli!“
Die Klotür wird geöffnet und die Schüssel nahtlos wieder besetzt während ich meinen Großen ins Bad delegiere und ich mich wieder der Frühstücksfertigung widme.
„Möchte hier irgendjemand einen Kakao?“, frage ich erneut.
„Wo sind meine Klamotten?“, tönt es aus dem Bad.
Ich:„Da wo sie immer sind.“
Kind 1:„Das ist nicht meine Hose!“
Ich lege das Messer erneut nieder und strecke den Kopf durch die Badezimmertür.
„Du weißt doch, welche Sachen Dir gehören! Dann ist es der andere Stapel. Zieh Dich jetzt mal an, sonst hast Du gleich keine Zeit für`s Frühstück.“
Das andere Kind kommt aus der Toilette.
Ich:„Hast Du abgespült?“
Kind 2:„Ja.“
Ich:„Warum hört man das dann nicht?“
Kind 2:“Weil ich es vergessen habe.“
Ich:“Dann hol das bitte nach.“
Irgendwann sind endlich beide Kinder im Bad verschwunden, doch anstelle des Wasserhahnes und der Zahnbürste hört man eigentlich hauptsächlich Geschnatter. Ein erneuter Kontrollblick offenbart, dass Kind 2 bereits gewaschen und nahezu vollständig angezogen ist, während Kind 1 (das ja viel früher vor Ort war) es gerade mal in eine frische Unterhose geschafft hat. Vielleicht sollten wir seine Teilnahme an der schulischen Yoga-AG nochmal überdenken…
Ich:“So, jetzt aber zackig! Das Frühstück wartet!“
Kind 2 setzt sich an den Tisch und schaufelt sich Kornflakes in den Mund, während Kind 1 noch mit seinen Jeans kämpft. Ist der Anzieh-Akt dann endlich vollbracht, plumpst es letztendlich auf einen Stuhl in der Küche. Mittlerweile ist es 7.35 Uhr.
Kind 1:“Wo ist mein Kakao?“
Ich:“Ich habe dreimal gefragt, wer Kakao möchte und leider keine Antwort bekommen.“
Kind 1:“Ich möchte einen!“
Ich:“Dann mach Dir bitte einen. Ich muss mich jetzt fertig machen.“ (Übersetzung: notdürftiges Mami-Make-Up auflegen und Haare zusammen tüddeln).
Kind 1 ist sauer und macht sich Kakao. Ich versuche von meinem Äußeren zu retten was zu retten ist und trinke dabei noch flott einen Kaffee.
Nach dem Frühstück putzen die Kids ihre Zähne und sollen danach eigentlich gleich die Schuhe und Jacken anziehen. Stattdessen rennen sie jedoch zielstrebig ins Kinderzimmer und beginnen in aller Seelenruhe zu spielen.
Ich:“Hallo!? Was macht Ihr denn? Wir müssen los!“
Kind 1:“Wir wollen aber noch spielen!“
Ich.“Dafür ist jetzt keine Zeit. Zieht Euch bitte an und dann geht’s los.“
Kind 2 stampft wütend die Treppe herunter. „Du bist so gemein! Nie dürfen wir Spaß haben!“
Ich:“Ihr dürft immer Spaß haben, aber jetzt müsst Ihr zur Schule und ich zur Arbeit, basta!“
Zwei übellaunige Kinder trotten in den Flur und nachdem auch die letzten Unschlüssigkeiten bezüglich der Kleiderordnung ausgeräumt sind (Wie kalt ist es? Wird es heute regnen? Brauchen wir eine Mütze? Wo ist eigentlich der Schal?), verlassen wir um 7.50 Uhr tatsächlich gemeinsam das Haus.
Und wir schaffen es jeden Tag pünktlich zu sein. Seit fünf Jahren! Ich finde, das ist einen kleinen Applaus wert!