Reingewachsen

Reingewachsen

Da wächst man rein!“

Wie oft habe ich diesen Satz schon im Zusammenhang mit dem Leben als Mutter gehört?! Ich kann es gar nicht mehr zählen. Als ich mein erstes Kind erwartete; als ich mich zwei Jahre später fragte, wie wohl der Alltag mit zwei Kindern funktionieren würde…andauernd meinte jemand mich mit diesem Satz „beruhigen“ zu müssen. In Wirklichkeit dient diese Aussage eigentlich nur einem Zweck: nämlich dem, eine Gesprächslücke zu füllen wenn dem Gegenüber gerade nichts besseres einfällt.

Da wächst man rein.“… oder, noch besser „Das Zweite läuft so mit.“ Noch so eine dämliche Phrase, die keinem etwas nützt. 🙁

Jeder kinderlose Mensch, der in ein Gespräch mit einer Schwangeren gerät, schafft es mittels dieser zwei einfachen Aussagen, den Dialog halbwegs elegant zu meistern. Auch, wenn er überhaupt keine Ahnung hat, was das Zusammenleben mit einem Kind (oder gleich mehreren) so alles mit sich bringt.

Junge Eltern in spe hingegen bewahren diese beiden taktischen Schachzüge der Kommunikation davor, aus ihrer selbst geschaffenen rosaroten Babywolke zu fallen und unsanft auf dem Boden der Tatsachen zu landen. Niemand möchte dem jungen Glück sagen, dass ihr bisheriges Leben sehr bald in Trümmern liegen wird und die Ankunft ihrer Leibesfrucht erst einmal jeglicher Romantik entbehrt.

Lasst Euch sagen, liebe Schwangeren, da wächst man NICHT rein, sondern man wächst über sich hinaus! 🙂

Das Leben – wie man es bis dato kannte – ist nach einer Geburt erst einmal im Eimer. Dann geht es daran, die Scherben wieder aufzusammeln und neu anzuordnen. Daraus entsteht etwas völlig Neues, etwas nie Dagewesenes. Und irgendwann fällt einem auf, dass es so viel besser ist und man sich gar nicht mehr vorstellen kann, wie man vorher überhaupt klar gekommen ist.

Seit ich meine beiden Söhne habe, hat sich sehr viel verändert.

Ich schlafe weniger, arbeite mehr und habe weniger Zeit für mich und meinen Mann.

Aber ich freue mich über jeden Regenwurm im Garten und habe meine erste Kellerassel gestreichelt. Ich mache Handyfotos wenn mir unterwegs ein Bagger oder ein besonders toller Betonmischer begegnet. Ich sammele auf dem Weg zur Arbeit die ersten Kastanien ein. Mein Leben ist bunter und die Welt größer geworden. Ich sehe einfach viel mehr, weil mich vier zusätzliche Augen dabei unterstützen.

Wenn ich an mein vorheriges Leben zurückdenke, denke ich oft, ich muss total blind gewesen sein.

 

Dieser Text ist ebenfalls erschienen auf Eltern

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